Zusammenfassung
Es gibt zahlreiche abnorme Zustände an den Gehirngefäßen, die in die übliche Unterscheidung
„funktioneller” und „organischer” Erkrankungen schlecht passen. Man kann für sie den
Ausdruck zerebrale Gefäßschwäche gebrauchen in demselben Sinn, wie man für einen andern
Teil des Gefäßsystems den Ausdruck „Herzschwäche” gebraucht. Es handelt sich also
um einen rein funktionalen Leistungsbegriff, der aus der klinischen Beobachtung geschöpft
wird und der unabhängig davon ist, ob schwerere anatomische Veränderungen zugrundeliegen
oder nicht. Auch der Ausdruck „zerebrale Gefäßschwäche” bezieht sich auf echte und
ernste Leistungsminderungen, die aber durch Kompensation und Leistungsanpassung bis
zu einem gewissen Grad ausgleichbar sind und die nicht unbedingt gleich zu schweren
organischen Defektzuständen sich entwickeln müssen. Zustände von zerebraler Gefäßschwäche
findet man vor allem klinisch in den frühen Vorstadien der Gehirnarteriosklerose,
ferner in klimakterischen Zuständen, sodann bei der sogenannten traumatischen Hirnschwäche
als Nachwirkung von Gehirnerschütterungen und Kontusionen. Die Dekompensation der
Kopfgefäße läßt sich im klinischen Befund hauptsächlich als Neigung zu Erschlaffung,
Dilatation, abnormer Durchlässigkeit und Mangel des prompten Reagierens bei rascher
Erhöhung des Leistungsanspruchs nachweisen. Die Therapie muß in Medikamenten und Lebensweise
grundsätzlich ähnliche Gedankengänge verfolgen wie die des dekompensierten Herzens.
In der Unfallbegutachtung ist hauptsächlich die Differentialdiagnose gegen die Rentenneurose
von Wichtigkeit.